Es war wieder spitze!!
„Rauf auf die Burg 2020“ – Emotionen pur
„Es ist sooooo schön, dass ich wieder alte Freunde treffen darf. Und vielleicht auch neue Freunde kennenlernen darf.“ Nicht nur einmal war dieser Kommentar bei meinem Besuch im Jugendzentrum Ronneburg zu hören.
Der HBRS hat seine Sportfreizeit „Rauf auf die Burg“ am ersten Juli-Wochenende durchführen können. Wochenlang hat Ines Prokein, zuständige Referentin beim HBRS, darum gekämpft, die Freizeit realisieren zu können. In Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Ronneburg wurde ein Hygienekonzept entwickelt. Nach der Genehmigung des Konzepts konnte es endlich losgehen und die Ausschreibung veröffentlicht werden.
Ob sich da denn wohl jemand in diesen schwierigen Zeiten zur Teilnahme anmeldet? Eine berechtigte Frage, die sich so mancher der Verantwortlichen gestellt hat. Aber siehe da, die Anmeldungen aus ganz Hessen kamen schnell. Sehr schnell. Fast zwanzig junge Menschen mit und ohne Behinderung haben sich begeistert und voller Vorfreude zu der HBRS Sportfreizeit angemeldet.
Ines Prokein hatte gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Holger Kranz inhaltlich für das Juli-Wochenende ein attraktives Programm vorbereitet. Trainer und Sportler des HBRS wollten den Sportinteressierten unterschiedliche Sportarten anbieten. Rollstuhl-Basketball, Leichtathletik, Fitnesstraining, Tischtennis, Handball, Badminton, der Erwerb des Sportabzeichens und vieles mehr standen auf dem Programm der drei Veranstaltungstage. Aber auch Phasen der eigenen Gestaltungs- und Begegnungsmöglichkeiten hatten die Verantwortlichen für die Teilnehmer eingeplant.
Und das Konzept ging auf! In den Gesichtern aller war das ganze Wochenende über die Freude und Begeisterung zu sehen, endlich wieder einmal in kleineren Gruppen oder einer großen Gruppe aktiv sein zu können. "Es ist viel Arbeit gewesen. Bis zuletzt war nicht klar, ob es nun geht oder nicht. Aber die Freude der Teilnehmer zeigt uns, dass es den Aufwand wert war", so die hauptamtliche Mitarbeiterin des HBRS im Interview.
Zu Beginn der bis zu drei Abschnitte eines Tages stand immer das gemeinsame Aufwärmen. Die Teilnehmer wurden dabei von erfahrenen Trainern und Sportlern angeleitet. Und diese wiederum haben den Tipp gegeben, die Übungen auch gern weiter zu nutzen, wenn alle wieder zu Hause sind. Ein bisschen „Schule und Lernen“ war also auch Inhalt des vielseitigen HBRS-Konzepts.
„Kinder und Jugendlichen mit und ohne Handicap die Übungen des Sportabzeichens vorstellen zu können, finde ich einfach klasse. Damit können wir doch in einem so jungen Lebensalter gemeinsam Werbung für das wichtige Ehrenzeichen im Sport machen!“. Harald Piaskowski, langjährig erfahrener Sportabzeichenprüfer und Vorsitzender des Sportkreises Fulda/Hünfeld, war seine Begeisterung anzusehen. Und ja, „Werbung machen“ für das Sportabzeichen ist auch eine gute Sache.
Falls jemand denkt, Sportabzeichen!? Das finden die doch langweilig! Nein, es war genau das Gegenteil. Vielen kannten das Sportabzeichen und z. B. die Ausgleichsübungen beim Sportabzeichen für Menschen mit einer Behinderung nicht. Das Zielwerfen stand bei den Teilnehmern mit einer schweren Behinderung auf der Hitliste ganz weit oben. Und der ein oder anderen staunte nicht schlecht, wie präzise mancher werfen konnte. „Kann ich nochmal?“ Wenn man Teilnehmer so fragen hört, dann kann es nur gut gewesen sein.
„Endlich kann ich auch mal in den Rollstuhl!“ Eine Aussage, die in unserem „normalen Leben“ eher selten zu hören ist. In Ronneburg war sie des Öfteren zu vernehmen. Rollstuhlfahrer und Fußgänger probierten sich gemeinsam im Rollstuhlbasketball aus. Inklusiv halt. An dem sonnigen Juli-Wochenende bedeutete das auf dem Freiplatz, „es wird anstrengend“. Und es wurde anstrengend.
Die Begeisterung der jungen Sportler war greifbar. Es ging schnell hin und her. Vorwärts, und rückwärts, beschleunigen und bremsen. Die Hände „qualmten“. „Mist“, wo sind meine Mitspieler. Und wie heißen die nochmal? Habe die doch heute das erste Mal gesehen. Auch die Köpfe „qualmten“. Wären die Trainer nicht gewesen, hätten die Sportler wohl keine Pause gemacht. Sie folgten der Bitte auch nur sehr zögerlich. Aber die Vernunft siegte über die Begeisterung.
Gut, der Wermutstropfen muss dann doch genannt sein. Das Schwimmbad stand entgegen erster Zusagen nicht zur Verfügung. Die aktuellen Rahmenbedingungen der Pandemie haben die Nutzung einer Wasserfläche nicht zugelassen. Schade, aber so war es dann eben. Es gab ja genug andere Möglichkeiten.
Aber erst einmal war die Mittagspause angesagt. Und gemeinsam (mit Abstand) lecker essen. Die Rahmenbedingungen in dem Jugendzentrum Ronneburg waren gut wie immer. Und dank der Disziplin aller Teilnehmer war es auch nicht kompliziert. Die eindringlichen Erklärungen von Ines Prokein und Holger Kranz zu Beginn der Freizeit waren positiv aufgenommen worden. Und es machte Spaß, verfolgen zu können, dass die positive Umsetzung eine Teamleistung war. „Nur als Team ist man stark!“
„Wo kommst du denn her?“, „Hast du eine Lieblingssportart?“, „Durftest du vor den Ferien zur Schule gehen oder habt ihr auch Online-Unterricht gehabt?“ (…) Fragen waren in den Pausen der Freizeit keine Mangelware. Kennenlernen war angesagt. Und auf den schönen Zimmern wollte sich niemand lange aufhalten. Wenn man doch Menschen treffen konnte.
Der große Rasenplatz und die angrenzenden Laufbahnen waren ein weiteres Highlight der HBRS Freizeit. Rollstuhlfahrer und Fußgänger hatten gemeinsam viele Koordinationsübungen und Spiele zu absolvieren. Sowohl einzeln, zu zweit, in kleinen Gruppen oder als gesamte Gruppe galt es, die gestellten Aufgabenstellungen zu erledigen. Der Wettkampf stand dabei nicht im Vordergrund. Dieser hat es aber manchmal sehr spannend gemacht. Teamgeist und Ehrgeiz passen halt in vielfältiger Form zusammen.
Laufen, Springen, Sprinten und Werfen standen auf der tollen Sportanlage auf dem Programm. Und auch hier hat der ein oder andere den Rollstuhl ausprobiert. „Das ist ja krass anders, wenn man sitzt“. Der O-Ton des jungen Teilnehmers beschreibt deutlich, was er soeben erfahren hatte. Und Erfahrungen sammeln ist ja schließlich erlaubt. Und gewünscht. Ein Beispiel, was Schule machen sollte. Ein Hoffnungsschimmer sei an dieser Stelle erlaubt. Wir sind uns doch sicher, dass die Teilnehmer in der Schule von ihren Erfahrungen berichten werden.
Berichten können die Teilnehmer von einem sehr abwechslungsreichen Programm auch außerhalb der Sportaktivitäten. Brettspiele, Puzzle und ähnliches wurde an drei Tagen in kleineren und größeren Gruppen leidenschaftlich gespielt. Und „Mensch ärgere dich nicht“ kann sehr unterhaltsam sein.
War bei den gemeinsamen Spielen noch viel Feinarbeit und Fingerspitzengefühl gefordert, so ging es an anderer Stelle wieder viel dynamischer weiter. Rollstuhl-Handball stand da auf dem Zettel an der Informationstafel. Handball im Rollstuhl war für fast alle Sportinteressierten neu. Aktuell gibt es nur ganz wenige Orte in Deutschland, an denen man diese interessante Sportart ausüben kann. In Ronneburg konnten es alle bei der HBRS Freizeit ausprobieren. Und es war ein voller Erfolg. Die Kinder und Jugendlichen fanden schnell Gefallen an der ihnen unbekannten Sportart. Und auch Begeisterung ist übertragbar. Das konnte man in den Gesichtern der Leitung, der Trainer und auch der Eltern sehen. Schön, diese Emotionen sehen und erleben zu dürfen.
Emotional wurde es dann auch am letzten Tag der HBRS Freizeit. Ja, es mag auch an dieser aktuellen Zeit liegen. War am Freitag jedem die Freude anzusehen, wieder Menschen treffen zu dürfen, gemeinsam Sport treiben zu dürfen und viele emotionale Momente erleben zu können, so war am Sonntag diese Emotionalität auf eine andere Weise mit jeder Faser zu spüren. Abschied nehmen war angesagt. Ja, einerseits ein „schön trauriger Moment“. Weil er zeigt, dass es schöne Tage in Ronneburg waren. Andererseits ist es schön zu sehen, wie sich Kinder und Jugendliche in solchen Momenten verhalten. Traurig sein und gleichzeitig sehr auf das kommende Jahr freuen. Und auf eine neue HBRS Freizeit. Wir können viel aus solchen Momenten lernen. Und sie genießen. Den Moment. Emotionen pur!